Wie fördern wir unsere Kinder richtig?

Kind spielt Klavier

In dem Wissen, dass die Konkurrenz nicht schläft, möchten Eltern ihre Kinder, so gut es eben geht, fördern. Die Grenze, wo Übertreibung und Überforderung beginnen, ist da manchmal fließend, denn der kindliche Terminkalender wird zum Teil arg vollgestopft mit Chor und Instrumentalunterricht am Nachmittag, mit exotischen Sprachen schon im Kindergarten, und Sport und Ballett dürfen natürlich auch nicht fehlen. Viele Kinder werden heute wegen des „Frühförderwahns“ ihrer glücklichen Kindheit beraubt. Und die Eltern berauben sich selbst der so schönen kurzen Zeit, wenn die Kinder noch klein sind und unbeschwert mit ihren Eltern liebevoll spielen möchten, um von ihnen zu lernen.

Ein gutes Beispiel dafür ist Hollywoods Glamour-Paar – die Reality-TV-Darstellerin Kim Kardashian und der Rapper Kanye West. Sie sind fest entschlossen, das Potenzial ihrer Tochter North bis zum letzten Blutstropfen herauszukitzeln. Das zweijährige Mädchen muss so viel wie möglich ausprobieren, kein Talent darf womöglich unentdeckt bleiben. Um dies zu realisieren, haben ihre Eltern einen täglichen lückenlosen Stundenplan aufgestellt. Mit ihren diversen Tanz- und Keramikkursen, mit Tai-Chi und Fechten gräbt ihr Terminkalender jeder Tagesplanung eines Konzernmanagers das Wasser ab.

Dabei meinen es die Superstars ebenso gut mit ihrem Kind wie all die anderen Eltern, die wollen, dass es ihren Kindern später mal besser geht. Die treibende Kraft hinter allen diesen Anstrengungen ist unsere globalisierte Welt. Wer mit den Spitzenkräften aus aller Herren Ländern ernsthaft konkurrieren möchte, muss einfach besser sein als alle anderen.

Nehmen wir als Beispiel den Klavierunterricht. Wenn nur ein Prozent der 1.5 Milliarden Chinesen Klavierunterricht nimmt, dann sind das 1.500.000 Klavierschüler. Wenn von diesen Musikschülern wiederum nur ein Prozent hoch talentiert ist und das Potenzial zum Pianisten von Weltklasseformat hat, dann sind das 1.500 chinesische Superpianisten. Das Beispiel kommt nicht aus der hohlen Hand, wissen wir doch, dass der Kinderdrill in Asien zum Teil sehr traurige Formen annimmt. Wer also hierzulande das Ziel verfolgt, dass sein Kind einmal ein guter international anerkannter Pianist werden soll, kommt gar nicht darum herum, die Übungstermine für sein Kind auf ein unerträgliches Maß zu verdichten. Oder wir lernen endlich, unseren Ehrgeiz zu relativieren.

Wo liegen die Grenzen zur Überforderung?

Ein überfüllter Terminkalender eines Kindes wird mittel- und langfristig das Gegenteil von dem bewirken, was die Eltern erreichen wollen. Das kann ganz schnell gehen, dass ein Kind eine totale Abneigung, die sich sogar körperlich als Allergie auswirkt, gegen seinen Musik- oder Tanzunterricht entwickelt. Zu den Aufgaben der Eltern gehört das möglichst frühzeitige (sensible) Erkennen der Interessen und Fähigkeiten ihrer Kinder. Diese dürfen nicht unter den Belanglosigkeiten des Alltags erstickt werden, sondern genau an diesen Stellen müssen wir unseren Kindern Förderungen anbieten, auch wenn das Geld kostet. Wenn wir mit unserer Einschätzung richtig liegen, was keine Selbstverständlichkeit ist, dann wird das Kind die Fördermaßnahme mit Lust und Interesse gern annehmen.

Aber nach einem (intensiven) Förderunterricht, der nicht länger als eine Stunde dauern sollte, braucht jedes Kind ausreichend Zeit zum freien Spielen, denn die gewonnenen Eindrücke brauchen Zeit, um mental verarbeitet werden zu können. Dieser Prozess ist vergleichbar mit unserem Traum, innerhalb dessen wir auch unseren Gedanken völlig freien Lauf lassen, um die Tagesereignisse zu bewerten.

Die Gefahr der Überforderung besteht also immer dann, wenn wir unserem Kind zu viele Termine setzen, die keine ausreichenden Pausen zur körperlichen und mentalen Entspannung zulassen, wobei körperliche Entspannung für ein Kind nicht die Couch, sondern eher ein Spielplatz bedeutet. Sogar die Langeweile hat einen Wert beziehungsweise einen berechtigten kreativen Platz. Je einfacher ein Spielzeug, desto mehr Kreativität ist beim Kind gefordert. Heute gilt ein Spielzeug als gut, wenn es möglichst viele komplexe elektronische Funktionen aufweist. Aber lass Dich nicht von den Gewinninteressen der Industrie verrückt machen.

Kinder entwickeln sich

Für Kinder ist es völlig normal, dass sie spielerisch ihre eigenen Erfahrungen machen. In der Wissenschaft bezeichnet man ein solches Vorgehen als „Trial & Error“ Verfahren. Unsere Umwelt eröffnet uns und den Kindern verschiedene Materialien zum Sehen und Anfassen: Plastik, Metall, Stein, Holz, Papier, Pappkarton, Stoffreste, Farben usw. Das sind zugleich die Materialien, die wir unseren Kindern leicht zum Basteln zur Verfügung stellen können, damit sie ihre Kreativität voll entfalten können.

Natürlich kann es dann vorkommen, dass mal eine künstlerische Kreation Deines Kindes etwas gewöhnungsbedürftig aussieht. Bitte lobe dann Dein Kind trotzdem für sein etwas eigenwilliges Werk. Es zeigt vielleicht, dass Du im Vorfeld nicht genug Zeit verbracht hast mit Deinem Kind, um ihm einzelne Arbeitsschritte mit den Materialien und den Werkzeugen näher zu bringen.

Im Übrigen ist es wirklich sehr wichtig, dass das Kind einen ausreichenden und passenden Platz zum Basteln zur Verfügung hat. Mit Sonntagsanzug am Wohnzimmertisch wird das nichts. Aber mit einem alten Kittel an einer eher schmutzigen Werkbank lässt es sich trefflich arbeiten, und wenn das Glas mit dem Tuschwasser umkippt, hat Mama keinen Grund zum Schimpfen.

Wir sind das Vorbild

Das größte Kinderförderkapital ist unsere eigene Zeit. Verbringe so viel Zeit mit Deinem Kind wie möglich. Was Du ihm vormachst, wird es versuchen, nachzumachen. Gerade beim Malen oder Musizieren merken wir, wie schnell Kinder ihren „Meister“ überholen. Was spricht dagegen, unsere eigenen Hobbys gemeinsam mit unseren Kindern weiterzuführen?

Bald werden unsere Kinder größer und kommen in die Pubertät. Spätestens dann finden sie es „affig“, noch mit ihren Eltern zu spielen, obwohl wir es uns gerade dann so wünschen würden.

Hochbegabte Kinder – ein besonderes Thema

Hochbegabte Kinder brauchen unsere besondere Aufmerksamkeit, sonst droht die Gefahr, dass ihre Talente verkümmern. Aber wann ist ein Kind hochbegabt?

Es gibt Kinder, die sich gern zurückziehen, um in Ruhe in Büchern zu blättern. Andere beschäftigen sich aus eigenem Antrieb mit Musikinstrumenten. Dabei konzentrieren sie sich über erstaunlich lange Zeiträume. Diese Kinder brauchen eine gute Anleitung über die Dinge, mit denen sie sich so gern beschäftigen möchten. Haben sie nur wenige Grundregeln gelernt, dann entfalten sie daraus in kurzer Zeit überraschende eigene Fähigkeiten im Umgang mit den Dingen.

Unser Fazit

Aus falsch verstandenem Ehrgeiz kann und soll niemand aus seinem Kind ein Wunderkind machen. Die Psychologie kennt dieses Phänomen gut, dass sich manche Eltern über ihre Kinder definieren. Das, was sie selbst immer wollten, aber nie erreicht haben, sollen nun ihre Kinder für sie schaffen. Das engt aber ein Kind ein, dessen Schicksal möglicherweise einen ganz anderen Weg vorsieht. Kinder brauchen vor allem unsere ehrliche Liebe, um eine starke Persönlichkeit werden zu können.